Kronach – Zwischen Mauern und Weite .
Wir schreiben bewusst nicht "Bayern", denn das würde die Franken beleidigen. Vom Ilmtal kommend, überqueren wir bei Brennersgrün, einem unscheinbaren Dorf am Rennsteig, die thürinigisch-bayerische Grenze. Übrig geblieben ist nichts mehr von diesem Machwerk sozialistischer Abgrenzungspolitik.
Wir schauen uns Kronach an. Kronach betritt man wie eine kleine Bühne der Geschichte. Über allem thront die Festung Rosenberg. Die Gassen darunter wirken wie ein Geflecht aus Zeitfäden. Fachwerkhäuser lehnen sich aneinander, als erzählten sie noch immer die Geschichten der Kaufleute, Handwerker und Bürger, die hier lebten. Wer über das Kopfsteinpflaster geht, spürt das Knirschen vergangener Jahrhunderte unter den Schuhsohlen.
Der Weg hinauf: Stufe um Stufe steigt man zur Festung, der Atem wird schneller, der Blick weiter. Oben angekommen, spannt sich der Frankenwald in sanften Hügeln auf – grün, dicht und beinahe unerschöpflich. Man versteht, warum die Festung nie erobert wurde: Nicht nur Mauern, auch die Landschaft selbst steht schützend um Kronach.
In Kronach wurde Lucas Cranach der Ältere geboren – ein Name, der weit hinausreicht, bis in die Werkstätten der Renaissance und an die Seite Luthers. Sein Geburtshaus steht noch, unscheinbar vielleicht, aber voller Bedeutung.
Kronach ist eine Stadt, die sich nicht mit einem Blick erschließt. Man muss sie durchwandern, sich Zeit lassen, zwischen Mauern und Weite hin- und herschwingen. Und irgendwann merkt man: Sie hat mehr gegeben, als man gesucht hat.



Die lohnende Oberstadt von Kronach
Kloster Banz
Hoch über dem Main erhebt sich Kloster Banz, und schon von weitem wirkt es, als wolle es seine Besucher beeindrucken. Zwei mächtige Türme, die Fassade voller Schwung, das ganze Bauwerk ein sichtbares Zeichen barocker Selbstgewissheit. Hier wird geklotzt und nicht gekleckert.
Wir haben in den letzten Jahren viele Kirchen gesehen – katholische, evangelische, orthodoxe. Und immer wieder fällt auf, wie unterschiedlich die religiösen Räume auf den Menschen wirken. In orthodoxen Kirchen ist es die Bilderfülle, die Ikonen, das Leuchten der Farben und das Gefühl, mitten in einer himmlischen Familie zu stehen. Dort ist der Raum kein Schauspiel, sondern eine dichte Gegenwart – warm, mystisch, nah.
Ganz anders hier in Banz: Die barocke Kirche ist eine Bühne. Man betritt sie und spürt sofort, dass hier etwas vorgeführt werden soll. Stuck, Gold, Marmor – alles ruft: "Schaut her! Seht, wie prachtvoll der Glaube sein kann!" Es ist eine Ästhetik des Überwältigens, letztlich der Einschüchterung. Orthodoxe Kirchen flüstern, barocke Kirchen dröhnen.
Und doch hat das seine eigene Faszination. Wir stehen in den hohen Räumen und merken, wie sehr auch diese Architektur eine Geschichte erzählt: von Macht und Pracht, von einer Zeit, die Himmel und Erde in einer großen Geste verbinden wollte. Das nüchterne Mittelalter, das strenge Klosterleben der frühen Benediktiner – alles verschwand hinter dieser üppigen Schicht aus Ornament und Glorie.
Heute ist Banz kein Kloster mehr, sondern Tagungsstätte, Konzertort, Denkmal. Vielleicht liegt der Reiz gerade darin, dass diese Mauern ihre Schichten nicht verbergen. Sie zeigen uns, wie verschieden Menschen in unterschiedlichen Zeiten Gott gesucht haben – einmal im Flüstern, einmal im Dröhnen, einmal in der stillen Ikone, einmal im rauschenden Gold.



Kloster Banz: Demonstration kirchlicher Macht
Seßlach – Blasmusik im Mittelalterambiente
Wir gehen durch das Stadttor, und sofort fühlt es sich an, als wären wir in einem Film gelandet. Kopfsteinpflaster, Fachwerk, enge Gassen – Seßlach wirkt wie ein Bühnenbild, das jemand für ein Mittelalterstück entworfen hat (und tatsächlich wurden hier Teile eines Lutherfilms gedreht). Nur dass hier nicht Schauspieler, sondern ganz normale Menschen leben.
Auf dem Marktplatz empfängt uns fröhlicher Lärm. Bänke und Tische sind aufgestellt, die Bratwürste brutzeln, das Bier fließt.
Für uns fühlt sich das an wie ein Stück unverfälschtes Franken: herzlich, ein bisschen derb, aber mit echtem Zusammenhalt. Zwischen all dem Lachen, Musik und Bierduft denken wir: Solche Momente sind es, die eine Reise besonders machen. Nicht nur die alten Mauern, so beeindruckend sie sind – sondern das Leben, das sie heute noch füllt.
Seßlach ist mehr als ein hübsches Städtchen. Die Wurzeln reichen bis ins 8. Jahrhundert zurück, und die fast vollständig erhaltene Stadtmauer erzählt von Zeiten, in denen Mauern Schutz bedeuteten. Im Bauernkrieg von 1525, als in Franken vielerorts die Bauern ihre Herren stürzten, blieb Seßlach dem Bamberger Fürstbischof treu und öffnete die Tore nicht. Die Mauern hielten stand, und die Stadt wurde später für ihre Loyalität mit neuen Rechten belohnt. Vielleicht erklärt gerade das, warum Seßlach bis heute so geschlossen und ursprünglich wirkt.



Seßlach: Ein bisschen Mittelalterromantik mit Blasmusik
An der Mainschleife bei Volkach
Direkt an der Mainfähre in Escherndorf am Main liegt ein schöner Stellplatz für Wohnmobile – ruhig, aber doch mitten im Leben. Vor uns der Main, der träge dahinströmt, von Ufer zu Ufer tuckert die kleine Fähre hin und her. Rundherum locken Weingüter und Straußwirtschaften. Ein Platz, an dem man sofort das Gefühl hat, angekommen zu sein – entspannt, bodenständig und irgendwie sehr fränkisch.
Am Ende der Ostseerundreise
Die Ostseerundreise ist am Ende angekommen. Wir haben den Kreis fast geschlossen – nach Wochen auf kleinen Straßen, durch stille Landschaften, lebendige Städte und an Küsten, die mal sanft und mal schroff waren.
Am Anfang stand die Frage, wie es wohl sein würde, so lange unterwegs zu sein – ohne feste Termine, ohne das enge Zeitfenster eines Urlaubs. Heute wissen wir: Diese Freiheit verändert den Blick. Manchmal waren es die großen Orte, die uns beeindruckten, oft aber die leisen Momente, die uns am meisten berührten – ein Abendlicht über den Schären, ein Gespräch mit Menschen unterwegs, ein stiller Stellplatz am Wasser.
Nun fahren wir heimwärts, ein wenig müde vielleicht, aber reich an Erinnerungen. Was bleibt, sind nicht nur Fotos und Notizen, sondern das Gefühl, dass die Reise in uns weitergeht. Jeder Ort, den wir besucht haben, hat etwas in uns zurückgelassen. Und jeder Kilometer war ein Teil einer Geschichte, die noch lange nachklingen wird.
Doch mit dem Ende wächst schon die Vorfreude: Anfang des kommenden Jahres wollen wir wieder aufbrechen – diesmal Richtung Süden. Vielleicht bis nach Marokko, vielleicht nur so weit, wie die Straße uns trägt. Die Sehnsucht nach neuen Horizonten bleibt.
